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EINE FRAGE DES STILBRUCHS

Herbst

Endlich ist er wieder da, der herbstliche Selbstzweifel.

Man sagt mir nach, ich sei ein Gewohnheitstier. Das stimmt nur bedingt, denn ich koste aus, was ich mag, und das kann eine Zeit dauern. Allerdings überkommt mich irgendwann die Langeweile, und ich wende mich Neuem zu. In einer Plötzlichkeit, die für meinen Umkreis äußerst anstrengend sein kann. Ein quengelndes Kind ist ein Zen-Meister dagegen.

Nun ist es wieder so weit, denn es ist Herbst. Dann stelle ich mich am liebsten in Frage. Das liegt wohl daran, dass in dieser Jahreszeit Altes abgeworfen und Platz für Frisches geschaffen wird. Meine Psyche nimmt sich ein Beispiel daran.

In unregelmäßigen Abständen versuche ich mich neu zu orientieren, meistens dann, wenn sich meine Liebsten schon beruhigt zurücklehnen, im Glauben, ich sei nun endlich versorgt und richtig aufgegleist. Ich kann nichts dafür, es ist die Neugierde, die mich treibt. Und wenn es dann wieder einmal so weit ist, bin ich launisch, ungeduldig und mitunter auch verwirrt. Ich kann gut nachfühlen, wenn ich während dieser Zeit für manche unausstehlich bin. Immerhin reisse ich mich aus einem gefälligkeitsgeschwängerten Topf und zapple im sinnleeren Raum. Und wenn ich mich dann irgendwo wieder eingepflanzt habe, braucht es einen Moment, bis meine kreativen Wurzeln gefestigt sind. Ein nicht gerade kuscheliger Prozess, das muss ich zugeben. Aber ich brauche solche drastischen Wechsel, denn es gibt nichts Schlimmeres für mich als träge Selbstzufriedenheit. Nur so bleibe ich kreativ, und vor allem mir selber treu.

Es ist erstaunlich, in was für einer begrenzten Zone wir Menschen uns bewegen und auch noch zufrieden damit sind. Ein gutes Beispiel ist der Arbeitsweg. Es ist immer Derselbe! Dabei gäbe es sicherlich die eine oder andere Nebenstraße, in der man vielleicht etwas Neues entdecken könnte und trotzdem ans Ziel kommt. Aber nein, lieber quält man sich jeden Tag mit anderen Leidgenossen durch den allmorgendlichen Verkehrsstau.

Aber selbst in der Freizeit sind die Grenzen eng gesteckt. Man wählt sich eine Stammkneipe, der man – im gängigsten Fall – ein Leben lang treu bleibt (ich wette, viele Leute würden sich eher von ihrem Partner trennen, als von ihrer Stammkneipe, aber das ist ein anderes Thema). So ist das wohl mit der Freiheit. Hat man sie mal, weiß man nix damit anzufangen. Ist die Bequemlichkeit heutzutage das erstrebenswerteste Gut geworden? Ist unser Entdeckungsdrang tatsächlich völlig verkümmert? Gut, auch ich suhle mich gerne mal in der wohlig kuscheligen Routine, aber irgendwann schreit der Kolumbus in mir nach Erneuerung.

Ich gebe es mit Freude zu, ich habe mir ein Cintiq 21ux zugelegt. Im Grunde, weil ich mir davon eine große Zeitersparnis bei der Umsetzung meiner Adaption vom „Wirtshaus im Spessart“ erhoffe. Aber es ist – obwohl ich seit Jahren mit einem Wacom-Tablett arbeite – eine ungeheuer große Umstellung für mich. Ich merke wieder mal, wie gewöhnt ich an meine Technik war, und wie aufregend die Arbeits- und Sichtweise mit dem neuen Gerät ist. Wer meine Arbeit schon seit Längerem verfolgt, der weiß, wie sehr und häufig sich mein Stil erneuert hat. Es gibt viele Zeichner, die ihre Art zu Zeichnen niemals ändern. Das ist natürlich toll und mag für viele erstrebenswert sein, aber für mich ist es ein Gräuel. Dieses selbstzweiflerische Kribbeln im Bauch, wenn man etwas Neues und Unbekanntes versucht, das möchte ich nicht missen. Was man dabei alles entdecken kann, ist unbezahlbar.

Ach, ich freue mich schon auf meine nächste Sinnkrise. Daran könnte ich mich wirklich gewöhnen.

Ich hoffe, dass euer Herbst genauso wunderbar trübsinnig wird wie meiner!

Atelier-im-Herbst


  1. Claudio 12:41 am 29.Oktober 2009

    Man fragt sich, ob das ein Ölbild ab Foto, oder eine Foto vom Ölbild ist. Dein „Atelier im Herbst“ ist jedenfalls stilecht!


  2. Steven Bagatzky 12:41 am 29.Oktober 2009

    Na dann wünsche ich Dir viel Spaß mit deinem Cintiq. Ich bin gespannt was Du darüber berichten wirst, denn die Meinungen dazu gehen ja weit auseinander. Ich selbst arbeite nur noch damit währnend andere Illustratoren es ungenutzt in der Ecke stehen haben weil sie nicht damit können.
    Auch bin Ich gespannt ob sich durch das Cintiq noch etwas mehr Duktus in deinen Kolorationen zeigen wird. Andererseits hast Du es vermutlich schon ein paar Tage und zumindest deiner diesen Text begleitenden Illu sieht mans (noch) nicht an.
    Insofern… gespanntes Abwarten. Viel Spaß jedenfalls damit, spielen ist wichtig!

    Grüße,
    Steven


  3. Boris 12:41 am 29.Oktober 2009

    @ Claudio: Eigentlich ist es aus Knete in Originalgröße nachgebaut und bemalt. So konnte ich sicher sein, dass kein Detail verwackelt, denn meine Kamera hat eine zu lange Auslösezeit. Aber das wollte ich eigentlich nicht breitwalzen, es gibt Wichtigeres. Aber merci, mein Lieber! 🙂

    @Steven: Ja, ich werde berichten, ganz sicher. Wie gesagt, es ist eine Umstellung. Ich werde das Ding ohnehin „nur“ zur Koloration verwenden, merke aber, dass es bereits einen großen Einfluss auf meine Arbeit hat. Ich bleibe gespannt, spielerisch!

    Viele liebe Grüße

    Boris


  4. beni 12:41 am 29.Oktober 2009

    hoi boris

    das klingt ja sehr erfrischend. 🙂

    und wenn ich mir das foto dann anschaue, dann denke ich, du hast eh schon mehr als ein cintiqxy2010.
    aber dass sowas freude bereiten kann, kann ich schon verstehen.

    da fang ich mal mit einem wacom an, dass mein bisheriges in der grösse um längen schlägt… ganz bescheiden…

    ganz liebe herbstgrüsse

    beni


  5. Boris 12:41 am 30.Oktober 2009

    Ah, das sind doch gute Neuigkeiten. Und bei den tollen Fortschritten, die du machst, macht so ein Tablett absolut Sinn. Ich freue mich auf den Dezember. 😉

    Viele liebe Grüße

    Boris


  6. gallion 12:41 am 31.Oktober 2009

    Ja der stand diese Woche auch bei mir vor der Tür, der wunderbare herbstliche Trübsinn.

    So so ein Cintiq 21ux, du alter Angeber 😉

    Gruß Sascha


  7. Boris 12:41 am 31.Oktober 2009

    Na, den musst du einfach wie einen alten Kumpel hereinbitten und ihn gut bewirten, dann wird alles gut. Also den Trübsinn meine ich, nicht das Cintiq. Das muss man pflegen und hegen und es ganz doll lieb haben! Und ich denke, damit darf man ein kein wenig angeben ;-).

    Viele liebe Grüße

    Boris


  8. Nicolas 12:41 am 3.November 2009

    Obwohl ich nicht tauschen möchte, gratuliere ich!

    Sag mal; warum deckst du eigentlich letzthin deine Bilder regelrecht zu mit den Lichtlein? Weniger wäre da mehr imho 🙂


  9. Boris 12:41 am 3.November 2009

    Das liegt wohl daran, dass es mir zurzeit blendend geht :-). Aber schimpf mich nicht Gewohnheitstier. Ich habe oben ja geschrieben, ich koste aus, was ich mag, um dann plötzlich die Lichtlein wieder zu löschen. Darum genieße ich also noch meine Leuchtkraft. Bin selber gespannt, für wie lange.

    Viele liebe Grüße

    Boris


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